Freiwilligendienst in Brakel – eine Zwischenbilanz

Damian Rodezno ist 24 Jahre alt. Er kommt aus Honduras. Aufgewachsen ist er auf dem Cafetál, so nennt man im Spanischen das Kaffeefeld. Als studierter Agrartechniker und Barista hat sich Damian in diesem Jahr den Traum eines Auslandsjahres verwirklicht.

Damian, Du arbeitest in der Kolping Röstwerkstatt in Brakel. Wie sieht ein typischer Tag für dich aus?

Ich komme jeden Tag um 10 vor 8 Uhr an der Rösterei an. Wenn ich dann meine erste Tasse Tatico getrunken habe, werde ich auch richtig wach und bekomme Energie für den Tag.

Dann schalte ich die Röstmaschine ein und lasse sie vorheizen, bevor ich mit dem Kaffee-Rösten beginnen darf. Während der Röstvorgänge überprüfe ich die Temperaturkurven und Röstmengen. Außerdem stelle ich sicher, dass jede Röstung auf den Punkt die Trommel verlässt.

Ich liebe den Duft nach Kaffee und zu beobachten, wie sich jede Röstung entwickelt. Es ist nicht nur ein Röstvorgang, es gibt eine ganze Welt an Aromen dahinter zu entdecken.

Meine Mittagspause verbringe ich mit meiner Mitfreiwilligen im Kolping Berufsbildungswerk in Brakel. Mein Arbeitstag endet um 16:30 Uhr. Ich lasse vorher die Maschine abkühlen und helfe beim Aufräumen und Saubermachen. 

Was machst du in deiner Freizeit?

Ich verbringe am liebsten Zeit mit meiner Gastfamilie. Außerdem verbringe ich gerne Zeit mit meinen Mitfreiwilligen, die aus vielen verschiedenen Ländern kommen und lerne so auch Vieles über ihre Kultur. Ich besuche auch einen Deutschkurs, um meine Deutschkenntnisse zu verbessern und besser kommunizieren zu können. Für Sozialaktionen habe ich mich der Jugendgruppe in Brakel angeschlossen. Außerdem bin ich gerne mit dem Fahrrad unterwegs, vor allem jetzt im Sommer.   

Wie viel von dem, wie du dir dein Leben in Deutschland vorgestellt hast, ist eingetroffen?

Es gibt Dinge, die sind absolut anders als das, was ich aus Honduras kenne, ob es ums Essen, Freizeitaktivitäten oder Abläufe im Alltag geht. Viele meiner Erwartungen sind erfüllt worden, wenngleich Einiges schwieriger war, als ich es mir vorgestellt hatte, z.B., Deutsch zu lernen. Wenn ich jetzt, nach 7 Monaten in Deutschland aber auf meinen ersten Monat zurückschaue, habe ich doch einige Fortschritte im Spracherwerb gemacht.

In Deutschland gibt es vieles, das anders ist als ich es kenne. Ich finde das nicht befremdlich, aber es erregt immer wieder aufs Neue meine Aufmerksamkeit. Zum Beispiel liebe ich es, wie organisiert alles ist und wie es ist, wenn Pläne bestmöglich aufgehen. Das überrascht mich jeden Tag aufs Neue.

Du wohnst allein, aber doch in unmittelbarer Nähe deiner Gastfamilie. Wie ist dein Familienleben im Vergleich zu dem in Honduras?

Ich lebe allein, aber meine Gastfamilie ist quasi Wand an Wand. Ich kann mit ihnen Zeit verbringen, wann immer ich es möchte und mit ihnen habe ich unvergessliche Momente erlebt. Es ist sehr interessant, mit einer anderen Familie als der eigenen zu leben, aber wenn ich das Familienleben mit meinem in Honduras vergleiche, komme ich zu dem Schluss, dass es sich gar nicht so groß unterscheidet. Ich habe eine liebenswerte, enge Beziehung mit meiner Gastfamilie und sie haben mich von Beginn an als weiteres Familienmitglied akzeptiert, denken mich bei ihren Plänen und Vorhaben mit und lassen mich Teil der Familie sein.

Natürlich vermisse ich Vieles aus Honduras, meine Familie, meine Freunde, die Arbeit auf der Finca oder das Essen, aber genauso weiß ich, dass ich diese Dinge bald wieder haben werde.

Wenn ich an den Moment denke, an dem ich zurückreisen muss, werde ich diese Dinge in Deutschland vermissen: meine Familie, meine Freunde, meine Arbeit in der Röstwerkstatt und meine Kolleg*innen und wahrscheinlich auch die Sicherheit und den Lebensstil in Deutschland.

Welche Chancen siehst du im weltwärts-Programm für junge Honduraner*innen?

Das weltwärts-Programm sehe ich als Strauß voller Möglichkeiten für Jugendliche, vor allem für Honduraner*innen, die hierdurch die Erfahrung machen können, ein Leben außerhalb ihrer Realität kennen zu lernen.

Kolping Honduras nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Bevor ein*e Jugendliche*r für das Programm ausgewählt wird, prüft die Organisation sehr genau, ob die Haltung und die Bereitschaft der Jugendlichen zu den Anforderungen des Programms passen.

Schön ist, dass hier in Deutschland die enge Bindung zu Kolping erhalten bleibt. Wir sind alle Kolpinggeschwister und das ist es auch, was uns im Rahmen des Freiwilligendienstes verbindet. Durch dieses Programm wird gezeigt, dass Grenzen nicht existieren und dass wir eine Weltfamilie sind.

Ein paar Monate hast du noch vor dir. Was möchtest du noch erreichen? Welche Pläne hast du nach dem Freiwilligendienst?

Ich will weiter Deutsch lernen und die verbleibende Zeit nutzen, weitere Orte und Menschen und Kolping in Deutschland kennen zu lernen. Ich möchte alles mitnehmen, was es mir ermöglicht, weiter persönlich zu wachsen.

Nach dem Freiwilligendienst möchte ich erst mal Zeit mit meiner Familie verbringen und weiter studieren. Ich möchte aber auch meine Eltern auf der Finca bei der Kaffeeproduktion unterstützen. Vielleicht finde ich auch in Honduras einen Deutschkurs.

Etwas, das du noch loswerden möchtest?

Ich bin sehr glücklich, dass ich meinen Freiwilligendienst in der Röstwerkstatt realisieren darf. Hinter diesem Unternehmen steckt eine grandiose Initiative, die vielen Familien, die sich wie auch meine Familie dem Kaffeeanbau widmen, hilft. 

Kaffee anzubauen ist eine Aufgabe, die sehr viel Arbeit und Leidenschaft abverlangt und es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit zu wissen, dass es Initiativen gibt, die mit der Vision arbeiten, die Produzent*innen in den Blick zu nehmen.

Durch den Kauf von Tatico Kaffee unterstützen Kund*innen viele Familien in Honduras, ihre Lebensbedingungen und die ihrer Kinder zu verbessern, Zugang zu Bildung und Gesundheit zu ermöglichen und Landflucht zu unterbinden.

Vielen Dank!

Das Interview führte Ramona Linder.